Zweckbetrieb & Versicherungsberatung

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Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26.08.2021 [Aktenzeichen V R 5/19] ist in folgenden Leitsätzen zusammengefasst:

1. Eine Förderung von Verbraucherberatung und Verbraucherschutz (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 16 AO) liegt auch bei einer auf die individuelle Situation des Verbrauchers ausgerichteten Aufklärung und Information über Versicherungen vor.

2. Individuelle Verbraucherberatung gegen Entgelt kann im Rahmen eines steuerbegünstigten Zweckbetriebs nach § 65 AO erfolgen.

3. Der ermäßigte Umsatzsteuersatz ist --entgegen der Verwaltungsauffassung in Abschn. 12.9 Abs. 9 UStAE-- bei allgemeinen Zweckbetrieben (§ 65 AO) nur unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alternative 1 UStG anwendbar (Bestätigung der BFH-Rechtsprechung).

Der Zweckbetrieb und die Umsatzsteuer

Der Verbraucherschutz ist ein gemeinnütziger Zweck. Bei entgeltlichen Angeboten sind immer auch steuerliche Aspekte zu berücksichtigen. Ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) zeigt, dass Verfahrens- und Umsatzsteuerrecht hierbei getrennte Wege gehen können.

Im Streitfall konnten Verbraucher im Rahmen einer Finanzanalyse ohne persönliche Beratung eine Auswertung anhand ihrer Daten anfordern. Mit diesen Finanzanalysen erwirtschaftete eine gemeinnützige Körperschaft bei Umsätzen von ca. 100.000 EUR einen Verlust von ca. 70.000 EUR. Das Finanzamt stufte die Durchführung der Finanzanalysen als steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ein und unterwarf die hier­aus resultierenden Umsätze dem Regelsteuersatz.

Der BFH hat die Durchführung der Finanzanalysen als begünstigten Zweckbetrieb anerkannt. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb „Finanzanalysen“ diene der Verwirklichung des steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecks der Verbraucherberatung. Das setze voraus, dass sich der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb von der Verfolgung des steuerbegünstigten Zwecks nicht trennen lasse, sondern vielmehr das unentbehrliche und einzige Mittel zur Erreichung des steuerbegünstigten Zwecks sei. Die Klägerin sei durch die Analysen zu nichtbegünstigten Betrieben derselben Art auch nur insoweit in Wettbewerb getreten, als dies zur Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar sei. Versicherungsportale oder Makler böten keine vergleichbaren Leistungen an. Die Analysen der Klägerin beschränkten sich auf neutrale Informationen, während die Tätigkeit der „Konkurrenz“ auf den Abschluss eines Versicherungsvertrags gerichtet sei.

Was den Umsatzsteuersatz angeht, ist der BFH jedoch dem Finanzamt gefolgt. Der ermäßigte Steuersatz gelte nur dann, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen diene, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt würden. Ein Zweckbetrieb diene aber schon dann vorrangig der Erzielung solcher Einnahmen, wenn es sich um den einzigen Tätigkeitsgegenstand des jeweiligen Zweckbetriebs (hier: entgeltliche Finanzanalysen) handle. Dass die Klägerin einen Verlust erwirtschaftet habe, spiele keine Rolle.