Zweckbetrieb & Hilfsmittelverkauf für Blinde

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Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist in folgenden Leitsätzen zusammengefasst:

Der Verkauf von Waren ist grundsätzlich eine typische Handelstätigkeit, die nicht die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs i.S. von § 68 Nr. 4 AO erfüllt. Der Verkauf von Hilfsmitteln für blinde oder sehbehinderte Menschen über ein Ladengeschäft kann aber ein Zweckbetrieb sein, wenn über eine im Einzelhandel übliche reine Produktberatung hinaus weitere ‑‑fürsorgeorientierte‑‑ Hilfestellungen gegeben werden.

Quelle BFH Urteil 17.11.2022 [Aktenzeichen V R 12/20].

Fürsorgeorientierte Hilfestellungen

In der Urteilsbegründung erläutert der BFH die fürsorgeorientierten Hilfestellungen:

Randziffer 31
Entscheidend für die Blindenfürsorge sind im Ausgangspunkt die Umstände der einzelnen Verkaufsgeschäfte, die im Rahmen des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Dabei ist der bloße Verkauf im Ladengeschäft oder über das Internet im Sinne einer typischen Handelstätigkeit, die nur mit einer üblichen, produkt- und anwendungsbezogenen Beratung einhergeht, wie sie im Facheinzelhandel allgemein üblich ist, nicht als Durchführung der Blindenfürsorge anzusehen, die dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke des Beigeladenen zu verwirklichen. Demgegenüber können Verkaufstätigkeiten dem Fürsorgezweck des § 68 Nr. 4 AO entsprechen und die steuerbegünstigten Satzungszwecke des Beigeladenen verwirklichen, wenn z.B. neu erblindeten Personen neben einer reinen Produktberatung weitere ‑‑fürsorgeorientierte‑‑ Hilfestellungen gegeben werden oder wenn Verkaufstätigkeiten im Zusammenhang mit einem unentgeltlichen Kursangebot zur Förderung der gemeinnützigen Tätigkeit stehen.

Randziffer 36
Soweit der Verkauf im Ladengeschäft nur mit einer üblichen, produkt- und anwendungsbezogenen Beratung, wie sie im Facheinzelhandel allgemein üblich ist, einherging, liegt ebenso wenig wie beim Internethandel ein Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 4 AO oder nach § 65 AO vor. Insoweit ist lediglich von einer ‑‑qualitativ hochwertigen‑‑ Handelstätigkeit auszugehen. Etwas anderes kann aber bei einer speziell durch die Fürsorge für Blinde und Sehbehinderte gebotenen Käuferberatung gelten. Das kommt insbesondere bei neu erblindeten Personen in Betracht, bei denen neben einer reinen Produktberatung weitere ‑‑fürsorgeorientierte‑‑ Hilfestellungen erforderlich sein können, wie z.B. Rat und Unterstützung bei zu stellenden Anträgen, Hilfe bei der Akzeptanz der neuen Lebenssituation.

Die Sache ist nicht spruchreif und wird nach weiteren Tatsachenfeststellungen des Finanzgerichts entscheiden.