USt & Rehasport

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Das Finanzgericht Düsseldorf (FG) hat sich im Urteil vom 16.04.2021 [Aktenzeichen 1 K 2249/17 U] mit der Frage beschäftigt, wann Rehasport als „Heilbehandlung“ nach § 4 Nr. 14a UStG umsatzsteuerbefreit ist. Damit können Sie im Verein jetzt verlässlich einschätzen, aus welcher Art Ihrer rehasportlichen Aktivitäten welche Steuerfolgen resultieren.

Wann kann sich der Verein auf Umsatzsteuerbefreiungen berufen?

Bei Rehasport kommen zwei Befreiungen in Frage

Für die umsatzsteuerliche Behandlung des Rehasports kommen zwei Steuerbefreiungsvorschriften in Frage:

  • § 4 Nr. 14a UStG: Er ermöglicht eine Befreiung als „Heilbehandlung“.
  • § 4 Nr. 22b UStG: Er ermöglicht eine Steuerbefreiung als „Sport“.

Rehasport als Heilbehandlung

Um § 4 Nr. 14a UStG in Anspruch nehmen zu können, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein. Die Leistungen müssen

  • einen Therapiezweck haben und
  • sie müssen von entsprechend qualifiziertem Personal erbracht werden.

Die Rechtsform spielt für die Steuerbefreiung keine Rolle. Einzelpersonen und Personengesellschaften können ebenso begünstigt sein wie Vereine. Auch andere Gesundheitsdienstleistungen im Vereinsbereich können begünstigt sein. Das betrifft z. B. Selbsthilfegruppen und andere Dienstleister im Gesundheitsbereich. Auch Patientenschulungen können darunterfallen (BFH, Urteil 23.09.2020, Aktenzeichen XI R 6/20).

Was ist eine Heilbehandlung?

Nach Auffassung des FG Düsseldorf ist die Steuerbefreiung für Heilbehandlungen in § 4 Nr. 14a UStG an Art. 132 Abs. 1 Buchst. c Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) angelehnt. Heilbehandlungen in diesem Sinn betreffen Leistungen, die außerhalb von Krankenhäusern in den Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort erbracht werden. Der Begriff erfasst Leistungen, die der Diagnose, der Behandlung und soweit möglich der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen. Heilberufliche Leistungen so auch die Finanzverwaltung sind daher nur steuerfrei, wenn bei der Tätigkeit ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht (Umsatzsteuer-Anwendungserlass [UStAE], Abschnitt 4.14.1, Abs. 2).

Die therapeutische Zielsetzung einer Leistung so das FG muss aber nicht in einem besonders engen Sinne verstanden werden. Es fallen auch medizinische Leistungen darunter, die zum Schutz, der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden (FG Düsseldorf, Urteil vom 16.04.2021, Aktenzeichen 1 K 2249/17 U).

Ohne ärztliche Verordnung keine Heilbehandlung

Bei der Frage, ob eine Leistung therapeutischen oder anderen Zwecken dient, geht es so das FG um die Beurteilung einer medizinischen Frage, die auf medizinischen Feststellungen beruhen muss, die von dem entsprechenden Fachpersonal getroffen worden sind. Ein eindeutiger Nachweis des therapeutischen Zwecks erfolgt regelmäßig durch eine ärztliche Verordnung.

Die eigene Einstufung durch Physiotherapeuten und in ähnlicher Weise heilberuflich Tätige reicht dazu regelmäßig nicht aus. Auch die subjektive Bewertung des Patienten ist nicht maßgeblich.

Über welche Qualifikation müssen Leistungserbringer verfügen?

Der Leistungserbringer muss über einen beruflichen Befähigungsnachweis verfügen. Für Berufe in der Physiotherapie setzt das regelmäßig die Ablegung der staatlichen Prüfung voraus. Der Befähigungsnachweise gilt auch als erbracht, wenn die heilberufliche Tätigkeit von den Sozialversicherungsträgern finanziert werden, wie dies z. B. bei einer Zulassung des Unternehmers nach § 124 SGB V der Fall ist (BFH, Beschluss vom 18.09.2018, Aktenzeichen XI R 19/15).

Rehabilitationssport und Funktionstraining sind „ergänzende Leistungen zur Rehabilitation“, die von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden können. Rechtsgrundlage dafür ist § 43 SGB V (Krankenversicherung) und § 64 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen).

PRAXISTIPP      Wenn also Krankenkassen, Unfallversicherungsträger etc. die Leistungen fördern, gilt das als Nachweis für die erforderliche Qualifikation des Anbieters. Die erfordliche Qualifikation liegt also in jedem Fall vor, wenn

  • Ihr Verein als Rehasportanbieter staatlich geprüfte Physiotherapeuten für Ihre Kurse einsetzt oder
  • die Zulassung der Krankenkassen gemäß § 124 Abs. 2 SGB V hat.

Nach § 4 Nr. 14 a UStG sind auch „ähnliche heilberufliche Tätigkeiten“ begünstigt. Für die Frage, ob eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit vorliegt, ist entscheidendes Kriterium die Qualifikation des Behandelnden. Auch hier müssen Sie einen beruflichen Befähigungsnachweis vorlegen können. Grundsätzlich kann vom Vorliegen der Befähigungsnachweise ausgegangen werden, wenn die heilberufliche Tätigkeit in der Regel von Sozialversicherungsträgern finanziert wird (UStAE, Abschnitt 4.14.4, Abs. 6).

Eine („freiwillige”) Kostenübernahme durch die Krankenkassen nach § 43 Nr. 2 SGB V oder nach § 20 SGB V genügt aber nicht, um den beruflichen Befähigungsnachweis zu erbringen. Es muss sich um Pflichtleistungen handeln (FG Münster, Urteil vom 10.11.2009, Aktenzeichen 15 K 393/04 U).

Leistungen an Selbstzahler

Auch Rehasport an Selbstzahler ist nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerbefreit, wenn dafür eine ärztliche Verordnung vorliegt. Die Weiterführung des zunächst ärztlich verordneten Rehasports ohne erneute Verordnung ist nicht begünstigt. Allerdings kann eine spätere erneute Verordnung diesen Mangel beheben. Auch solche Leistungen an diese Selbstzahler sind deshalb begünstigt, die übergangsweise ohne ärztliche Verordnung erbracht wurden.

Leistungen ohne ausschließlich medizinische Indikation

Nicht begünstigt sind Leistungen, die nicht ärztlich verordnet werden können (z. B. Taping). Leistungen, die sowohl als medizinische Heilbehandlungen als auch zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands angewendet werden, sind nur steuerbefreit, wenn eine ärztliche Verordnung vorliegt.

Dazu gehören z. B. die Kälte- und Wärmetherapie oder die Extensionsbehandlung. Das sieht auch die Finanzverwaltung so (Abschn. 4.14.1, Abs. 5 UStAE).

Rehasport als sportliche Veranstaltung

Die Anforderungen an die Steuerbefreiung des Rehasports als „sportliche Veranstaltung“ sind deutlich geringer als „Heilbehandlung“. Befreit sind nach § 4 Nr. 22b UStG sportliche Veranstaltungen gemeinnütziger Unternehmer, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht.

Teilnehmergebühren sind nach Ziffer 4.22.2 Abs. 5 UStAE Entgelte, die gezahlt werden, um an den Veranstaltungen aktiv teilnehmen zu können. Das gilt z. B. für Start- und Meldegelder oder eben für Teilnahmegebühren bei Reha Sportkursen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Zahlung von den Teilnehmenden selbst kommt oder von Dritten (z. B. der Krankenkasse). Entscheidend ist, dass für die Teilnahme bezahlt wird und nicht für andere Leistungen (z. B. die Nutzung von Sportgeräten, Räumen oder Material).

Wann sind Rehasportkurse eine sportliche Veranstaltung?

Der Begriff der sportlichen Veranstaltung nach § 4 Nr. 22b UStG deckt sich mit dem Begriff, der in § 67a AO verwendet wird. Danach ist als sportliche Veranstaltung die organisatorische Maßnahme eines Sportvereins anzusehen, die es aktiven Sportlern (auch Nichtmitgliedern) ermöglicht, Sport zu treiben. Erbringt Ihr Verein nur organisatorische Sonderleistungen an einzelne Sportler (z.B. spezielles Training), ist diese Voraussetzung nicht gegeben (OFD Karlsruhe, Schreiben vom 05.03.2001, Aktenzeichen S 7180/1).

Es reicht für die Annahme einer sportlichen Veranstaltung auch nicht, wenn lediglich die Nutzung von Sportanlagen gestattet wird und die organisatorischen Maßnahmen sich auf die ordnungsgemäße Benutzung beschränken (BFH, Urteil 30.03.2000, Aktenzeichen V R 30/99).

PRAXISTIPP      Die Anforderung an diese organisatorischen Maßnahmen sind aber recht gering. Schon eine Aufsicht über einen Kurs erfüllt sie. Bei der üblichen Anleitung durch einen Kursleiter liegt also in jedem Fall eine sportliche Veranstaltung vor.

Unter Sport versteht der Gesetzgeber eine Tätigkeit zur körperlichen Ertüchtigung durch Leibesübungen oder ähnliche Betätigungen. Darunter fällt nicht nur die Vorbereitung auf einen Wettbewerb, sondern eine allgemeine körperliche Ertüchtigung über das gewöhnliche Maß hinaus (FG Köln, Urteil vom 08.10.2009, Aktenzeichen 10 K 3794/06). Dazu gehört jede konzentrierte körperliche Bewegung in dem Maß, wie es sich der einzelne Teilnehmer zutraut. Ein bestimmtes Leistungsniveau ist also nicht vorausgesetzt.

Rehasport gilt ausnahmslos als Sport, weil sich die Leistungsanforderung allein am Niveau der einzelnen Teilnehmer orientiert. Die Finanzverwaltung hat das für den Fall bestätigt, dass eine Physiotherapeutin Gymnastikkurse leitet (FinMin Schleswig-Holstein, Schreiben vom 24.11.2014, Aktenzeichen VI 358 S 7170 177 und OFD Nordrhein-Westfalen, Kurzinfo vom 07.10.2014, USt 14/2014).

Einzelunterricht ist nicht begünstigt

Als Einzelunterricht ist Sportunterricht keine sportliche Veranstaltung und damit nicht umsatzsteuerbefreit. Die untere Grenze der sportlichen Veranstaltung ist unterschritten, wenn sich die organisatorische Maßnahme auf entgeltliche Sonderleistungen für einzelne Personen beschränkt. Trainiert Ihr Verein durch einen hierfür bestellten Trainer einzelne Mitglieder, ist das eine Dienstleistung und keine „Veranstaltung“ im Sinne des § 4 Nr. 22 UStG (BFH, Urteil vom 11.10.2007, Aktenzeichen V R 69/06). Begünstigt sind also nur Kurse mit mehreren Teilnehmenden. Die Einzelbetreuung oder -schulung ist nicht befreit.

Keine umfassendere Befreiung nach Gemeinschaftsrecht

Eine Umsatzsteuerbefreiung für Sport gibt es auch im Gemeinschaftsrecht. Artikel 132 Abs. 1m der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL befreit von der Umsatzsteuer „bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben“.

Im Jahr 2020 hat der EuGH klargestellt, dass über die Frage, welche Leistungen darunterfallen, der nationale Gesetzgeber entscheidet. Art. 132 Abs. 1m MwStSystRL erweitert den Katalog befreiter Leistungen im Umfeld des Sports gegenüber § 4 Nr. 22b UStG nicht. Nur die o. g. sportlichen Veranstaltungen gemeinnütziger Unternehmer sind befreit (EuGH, Urteil vom 10.12.2020, Rundschreiben C-488/18).

FAZIT                  Rehasportkurse gemeinnütziger Sportvereine sind regelmäßig nach § 4 Nr. 22b UStG von der Umsatzsteuer befreit. Die Anforderungen an die Befreiung nach § 4 Nr. 14a UStG als Heilbehandlung sind dagegen höher. Diese Befreiung als Heilbehandlung ist also vor allem dann von Bedeutung, wenn

  • der Verein nicht gemeinnützig ist,
  • Einzelbetreuungen stattfinden und keine Gruppenangebote,
  • Gesundheitsberatungen oder -schulungen im Zentrum der Kurse stehen und keine körperliche Betätigung (Sport) der Teilnehmenden.

In allen anderen Fällen sollten Sie versuchen, Ihre Reha-Aktivitäten als „sportliche Veranstaltungen“ anzubieten. Dann sind sie umsatzsteuerbefreit.