Sozialversicherung & Ehrenamt

Datum:

Das Urteil des Hessisches Landessozialgerichts vom 17.03.2022 [Aktenzeichen L 1 KR 412/20] ist in folgenden Leitsätzen zusammengefasst:

1.       Die Tätigkeit hessischer Gemeindevertreter oder Stadtverordneter ist im Regelfall keine abhängige Beschäftigung im Sinne des Sozialrechts.

2.       Die Aufwandsentschädigung für die ehrenamtliche Tätigkeit als Gemeindevertreter oder Stadtverordneter stellt im Regelfall auch keinen Gewinn aus selbständiger Tätigkeit dar.

3.       Gesetzliche Kranken- und Pflegekassen dürfen bei der Beurteilung von Arbeitseinkommen nicht ungeprüft die steuerrechtliche Beurteilung durch die Finanzbehörden zugrunde legen, sondern haben eine eigenständige Bewertung vorzunehmen.

Dazu informiert die Pressemitteilung vom 20.04.2022 der „Sozialgerichtsbarkeit Hessen“.

Aufwandsentschädigung von Stadtverordneten nicht beitragspflichtig

Die Aufwandentschädigung für Stadtverordnete ist bei der Bemessung der Krankversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge nicht heranzuziehen. Es handelt sich hierbei weder um Arbeitsentgelt noch um Arbeitseinkommen.

Stadtverordnete wehrt sich gegen höhere Beiträge

Eine Rentnerin aus Offenbach ist ehrenamtlich als Stadtverordnete tätig. Sie erhält hierfür eine Aufwandsentschädigung von 480 € monatlich. Hierauf wurden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge von rund 75 € monatlich erhoben. Die Stadtverordnete wandte dagegen ein, dass ihre Tätigkeit als Ehrenamt nicht sozialversicherungspflichtig sei.

Aufwandsentschädigung ist weder Arbeitsentgelt noch Arbeitseinkommen

Die Richter beider Instanzen gaben der Stadtverordneten Recht. Die Aufwandsentschädigung sei kein Arbeitsentgelt. Denn es liege keine abhängige Beschäftigung vor, da die Stadtverordnete weder weisungsabhängig noch in die Arbeitsorganisation eingegliedert sei.

Die Aufwandsentschädigung sei aber auch kein Arbeitseinkommen. Die Krankenkasse könne sich nicht darauf berufen, dass die Entschädigung zu versteuern sei und dementsprechend auch der Beitragspflicht unterliege. Es sei nicht sachgerecht, die Aufwandsentschädigung als Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit zu bewerten. Vielmehr handele es sich – so die Richter - „um einen Auslagenersatz, der bei einer lebensnahen Betrachtung auch nicht zu einer Vermögensvermehrung“ führe. Denn bei einem Aufwand von ca. 15 bis 20 Stunden pro Woche bedeute eine Aufwandsentschädigung von 480 € ein „fiktiver Stundenlohn von 5,50 € bis 7,60 €“.