Scheinselbständigkeit & Abgrenzungskriterien

Datum:

Das Landessozialgericht Hamburg (LSG) hat sich mit der Problematik beschäftigt, wie eine abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit abzugrenzen ist.

Quelle   LSG Hamburg, Urteil 17.05.2022 [Aktenzeichen L 3 BA 30/19]

Wann liegt ein Beschäftigungsverhältnis vor?

Im Urteilsfall war ein Betreuer psychisch kranker Menschen ambulant für einen gemeinnützigen Verein tätig gewesen. Der Verein wandte sich nach einer Betriebsprüfung gegen eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von fast 30.000 €. Das LSG gab dem Verein Recht: Der Rentenversicherungsträger kann vom Verein keine Beiträge zur Sozialversicherung nachfordern, denn der Betreuer unterlag nicht der Sozialversicherungspflicht. Der Betreuer war nicht an Weisungen seines Auftraggebers gebunden. Seine Vergütung erfolgte nach einem vereinbarten Stundenlohn. Der Betreuer haftete für eventuell eintretende Schäden persönlich und unterlag keinem Wettbewerbsverbot. Nach Ansicht des LSG ist in diesem Fall vom Bestehen einer selbständigen Tätigkeit auszugehen.

Das LSG hat in seiner Entscheidung anschaulich die Anhaltspunkte dargestellt, die insgesamt zu betrachten sind:

Für eine abhängige Beschäftigung sprechen

  • Bezeichnung des zugrundeliegenden Vertrags als „Arbeits- oder Anstellungsvertrag“
  • Höchstpersönlichkeit der Arbeitsleistung
  • Verfügungsmöglichkeit des Auftraggebers als „Vorgesetzter“ über die Gestaltung der Arbeitszeit, Anwesenheits- und Zeitkontrollen
  • Verrichtung von Arbeiten „Hand in Hand“ mit anderen Beschäftigten des Auftraggebers und Angewiesenheit des Auftragnehmers auf deren Mitarbeit und Mitwirken
  • das Fehlen eigener Betriebsmittel
  • geschäftliches Auftreten im Namen des Auftraggebers
  • feste, gleichbleibende Vergütung
  • bezahlter Urlaub
  • Lohnfortzahlung im Krankheitsfall

 

Für eine selbständige Tätigkeit sprechen

  • Bezeichnung des zugrundeliegenden Vertrags als „Honorarvertrag“
  • Vertretung möglich
  • Unabhängigkeit von Weisungen
  • Beschäftigung und Bezahlung eigenen Personals
  • eigene Betriebsmittel, insbesondere eigene Betriebsstätte
  • eigenes Auftreten am Markt, Werbemaßnahmen
  • eigenes Vergütungsrisiko (keine Arbeit = kein Lohn)

 

Hinweis   Beachten Sie, dass allein die Bezeichnung des Vertrags nicht zu einem „freien Beschäftigungsverhältnis“ führen kann, wenn es anders gelebt wird.