Satzung & Mitgliederklage

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Einzelne Mitglieder haben im Verein grundsätzlich keine Möglichkeit, Ansprüche gegen den Vorstand durchzusetzen. Das kann nur die Mitgliederversammlung. Im Sonderfall gibt aber die Möglichkeit einer Mitgliederklage.

Quelle   OLG Brandenburg, Urteil 11.05.2023 [Aktenzeichen 5 U 38/23].

Wann ist eine Mitgliederklage zulässig?

Es kommt deshalb immer wieder zu einer problematischen Situation: Teile der Mitgliedschaft wollen gegen grobe Fehler oder sogar Gesetzesverstöße des Vorstands vorgehen, haben aber keinen rechtlichen Hebel, weil die Einberufung der Mitgliederversammlung vom Vorstand blockiert wird und ein Minderheitenbegehren wegen großer Mitgliederzahlen oder einem hohen satzungsmäßigen Quorum nicht praktikabel ist.

Im Sonderfall gibt es hier aber die Möglichkeit einer Mitgliederklage – typischerweise dann, wenn der erforderliche Beschluss der Mitgliederversammlung nicht rechtzeitig gefasst werden kann.

Ein Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts beleuchtet diese rechtliche Sonderregelung, die in Literatur und Rechtsprechung bezogen auf Vereine bisher kaum behandelt wurde.

Der Fall

Der Vorstand eines gemeinnützigen Wohlfahrtspflegevereins wollte den Anstellungsvertrag mit seinem Geschäftsführer vorzeitig beenden. Dazu sollte der Geschäftsführer für die restliche Vertragslaufzeit freigestellt und für diese Zeit ein Teil seines Gehalts fortgezahlt werden. Dagegen wandten sich einige Mitglieder und versuchten, vor dem Landgericht eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Sie vertraten die Auffassung, dass die beabsichtigte Beendigungsvereinbarung den Tatbestand der Untreue verwirkliche. Das Zahlungsversprechen sei deshalb nach § 134 BGB unwirksam. Die geplanten Zahlungen würden zudem die Gemeinnützigkeit des Vereins gefährden.

Weisungsbefugnis liegt grundsätzlich bei der Mitgliederversammlung

Die Geschäftsführung des Vorstands richtet sich nach den Vorschriften des Auftrags (§§ 27 Abs. 3, 664 bis 670 BGB). Die Mitgliederversammlung kann – auch ganz konkrete –  Weisungen an den Vorstand erteilen.

Das Weisungsrecht gegenüber einzelnen Vorstandsmitgliedern steht grundsätzlich nur der Mitgliederversammlung als „Auftraggeber“ zu. Folglich können einzelne Vereinsmitglieder dem Vorstand nicht bestimmte Handlungen auferlegen, sondern allenfalls die Unterlassung und Beseitigung konkreter Satzungsverstöße verlangen sowie in der Mitgliederversammlung Missstände aufzeigen, die Entlastung verweigern oder bei einer Schädigung des Vereins Schadensersatz verlangen. Auch dann ist aber eine Beschlussfassung der Mitgliederversammlung erforderlich.

Mitgliederklage nur im Ausnahmefall

Nur im Sonderfall kann ein Mitglied – für den Verein – vom Vorstand direkt verlangen, dass er bestimmte Handlungen vornimmt. Das hier angewendete Rechtskonstrukt wird als actio pro socio bezeichnet und ist im Vereinsrecht umstritten.

Rechtlich wird ein solches Handeln der Mitglieder für den Verein ohne „Umweg“ über die Mitgliederversammlung damit begründet, dass ein Rechtsschutz bei Einhaltung der vereinsinternen Zuständigkeiten möglicherweise zu spät greift.

Voraussetzung ist, dass Handlungen des Vorstands nur durch zeitnahes Eingreifen verhindert werden können, der Vorstand aber nicht rechtzeitig abberufen oder anderweitig gehindert werden kann. Das ist z.B. der Fall, weil die nächste Vorstandswahl zu weit in der Zukunft liegt, der Vorstand sich weigert, die Mitgliederversammlung einzuberufen und ein Minderheitenbegehren wegen der großen Mitgliederzahl nicht praktikabel ist.

Es muss also ein satzungs- oder gesetzwidriger Zustand bestehen, der durch die Mitgliederversammlung nicht mehr rechtzeitig repariert werden kann. Zudem muss der Vorstand eine grobe Pflichtverletzung begehen, durch die dem Verein ein erheblicher Schaden droht.

Eine Mitgliederklage ist zudem nur möglich, wenn es keinen anderen vereinsinternen Weg gibt, Ansprüche durchzusetzen. So könnte es z.B. Aufsichtsorgane geben, die laut Satzung dem Vorstand gegenüber weisungsbefugt sind.

Außerdem muss der Vereinszweck gefährdet sein oder es müssen existenzgefährdende finanziellen Auswirkung drohen, wodurch die Rechte der Vereinsmitglieder beeinträchtigt sind.

OLG verneint Mitgliederklage im konkreten Fall

Vor diesem rechtlichen Hintergrund verneinte das OLG im behandelten Fall die Zulässigkeit einer Mitgliederklage.

Es war der Auffassung, dass die finanziellen Auswirkungen durch den Abschluss der Beendigungsvereinbarung mit dem Geschäftsführer von vornherein keinen den Vereinszweck aushöhlenden Satzungsverstoß darstellen, der eine Umgehung der verbandsinternen Zuständigkeiten rechtfertigt. Es lag demgemäß allein bei der Mitgliederversammlung, die Vor- und Nachteile einer solchen Vereinbarung gegeneinander abzuwägen und gegebenenfalls dem Vorstand den Abschluss der Beendigungsvereinbarung zu untersagen.

Nur wenn die Gefahr besteht, dass vor einer Mitgliederversammlung durch den Abschluss des Beendigungsvertrages die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, wäre die Mitgliederklage zulässig gewesen. Die erforderliche Dringlichkeit sah das Gericht nicht. Die Kläger hätten nachweisen müssen, dass die Einberufung einer Mitgliederversammlung nicht schneller zum gewünschten Erfolg geführt hätte, als die Mitgliederklage mit einer entsprechenden einstweiligen Verfügung.