Betriebsratskündigung & veröffentlichte Gesundheitsdaten
Datum:
Das Urteil des Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg ist in folgenden Leitsätzen zusammengefasst:
1. Die in einem gerichtlichen Verfahren von den Parteien gefertigten und zur Gerichtsakte eingereichten Schriftsätze sind zweckbestimmt. Sie sind gerichtsöffentlich, nicht aber für die Allgemeinheit oder die Betriebsöffentlichkeit bestimmt.
2. Wer solche Schriftsätze, in denen Daten, insbesondere auch besondere Kategorien personenbezogener Daten (Gesundheitsdaten), verarbeitet werden, bewusst und gewollt der Betriebsöffentlichkeit durch die Verwendung eines durch eine E-Mail zur Verfügung gestellten Links offenlegt und darüber hinaus den Adressatenkreis auffordert, die Weiterverbreitung der verlinkten E-Mail zu veranlassen, ohne dafür einen rechtfertigenden Grund zu haben, verletzt rechtswidrig und schuldhaft Persönlichkeitsrechte der in diesen Schriftsätzen namentlich benannten Personen.
3. Eine solche Verhaltensweise ist geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Quellen
LArbG Baden-Württemberg, Urteil 25.03.2022 [Aktenzeichen 7 Sa 63/21]
LArbG Medienmitteilung 25.03.2022
Fristlose Kündigung eines Betriebsrats bei der Robert Bosch GmbH
Der Kläger ist seit September 1997 bei der Robert Bosch GmbH (Beklagte) als Entwicklungsingenieur am Standort Feuerbach beschäftigt. Seit 2006 ist er Mitglied des Betriebsrats und seit 2014 freigestelltes Betriebsratsmitglied.
Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 18.01.2019, zu der das Betriebsratsgremium seine Zustimmung erteilt hat. Die Beklagte begründet diese Kündigung damit, dass der Kläger mit der Veröffentlichung von Prozessakten aus einem vorherigen Kündigungsschutzverfahren zwischen den Parteien, insbesondere von Schriftsätzen der Beklagten, gegen Bestimmungen des Datenschutzrechts verstoßen habe. In den Schriftsätzen der Beklagten seien auch personenbezogene Daten, insbesondere auch Gesundheitsdaten, weiterer Mitarbeiter der Beklagten unter voller Namensnennung enthalten gewesen. Diese personenbezogenen Daten habe der Kläger einem größeren Verteilerkreis mithilfe eines Zugriffs auf eine sogenannte Dropbox offenbart.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Kündigung unwirksam ist. Es bestehe keine Vorschrift, die es gebiete, Prozessakten geheim zu halten, im Übrigen sei ein Datenschutzverstoß schon deshalb abzulehnen, nachdem er mit Blick auf Art. 2 Abs. 2c DS-GVO ausschließlich im Rahmen „persönlicher oder familiärer Tätigkeiten“ gehandelt habe. Außerdem habe er auch im berechtigten Eigeninteresse gehandelt, denn ihm stehe das Recht zu, zu dem Fall Stellung zu nehmen und zu informieren, insbesondere im Hinblick auf die ihn als Familienvater und Betriebsratsmitglied zutiefst belastenden Vorwürfe.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 04.08.2021 den Kündigungsschutzantrag mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger mit der Veröffentlichung weiter Teile der Prozessakten durch die Zurverfügungstellung des Dropbox-Links in rechtswidriger Weise gegen Bestimmungen des Datenschutzrechts verstoßen hat (Az 25 Ca 1048/19).
Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zum Landesarbeitsgericht blieb ohne Erfolg. Wer im Rahmen eines von ihm angestrengten Gerichtsverfahrens bestimmte Schriftsätze der Gegenseite, in denen Daten, insbesondere auch besondere Kategorien personenbezogener Daten (Gesundheitsdaten), verarbeitet werden, der Betriebsöffentlichkeit durch die Verwendung eines zur Verfügung gestellten Links offenlegt und dadurch auch die Weiterverbreitungsmöglichkeit eröffnet, ohne dafür einen rechtfertigenden Grund zu haben, verletzt rechtswidrig und schuldhaft Persönlichkeitsrechte der in diesen Schriftsätzen namentlich benannten Personen mit der Folge, dass vorliegend die außerordentliche Kündigung der Beklagten gerechtfertigt ist. Die Wahrnehmung berechtigter Interessen des Klägers lag jedenfalls insofern nicht vor, als die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts am Tage der Zurverfügungstellung des Links noch nicht vorlagen und dem Kläger auch noch die Möglichkeit offenstand, gegen das Urteil das Rechtsmittel der Berufung einzulegen, um in diesem Verfahren seinen Standpunkt darzulegen.